Industrie 4.0 und IoT sind schon seit längerer Zeit in aller Munde. Doch mit Blick auf den Markt, ist die Zahl der Anwendungsfälle und Beispiele, die den hehren Zielen der digitalen Transformation gerecht
werden, noch relativ überschaubar. Woran liegt es, dass die vor
Jahren angepriesene industrielle Revolution anscheinend in breiter Fläche nicht so recht vorankommt? Schaut man sich verschiedene Umfragen und Marktanalysen an, wird aktuell davon ausgegangen, dass ca. 40% der mittelständischen Unternehmen IoT-Projekte umgesetzt haben bzw. sich in der Umsetzung befinden.
Dem gegenüber stehen Analysen von McKinsey und Forbs, die die Zahl der gescheiterten Projekte, die nicht zum gewünschten technischen oder wirtschaftlichen Erfolg führen, in diesem Bereich auf über 50% schätzen.
Woran liegt es, dass ein Großteil der mittelständischen Unternehmen immer noch nicht auf den Zug aufgesprungen ist und so viele Projekte scheitern und – noch viel
wichtiger – wie können wir das verhindern oder zumindest ändern? Die Zahl der gescheiterten Projekte verdeutlicht, dass die Integration bzw. Implementierung von (I)IoT-Lösungen und Industrie 4.0 Use Cases keine trivialen Unterfangen
sind. Den meisten Unternehmen geht es bei der Umsetzung schließlich nicht um eine kleine Insellösung, sondern im Grunde um einen Teil ihrer Digitalisierungsstrategie. Daher ist es bei der Umsetzung unerlässlich auch Anforderung und Ziele im
Kontext zukünftig geplanter Anwendungen und Strategien zu kennen, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Um Projekte und Digitalisierungsstrategien für Anbieter und Anwender gleichermaßen zu einem positiven Abschluss führen zu können,
sollten Auftraggeber und Auftragnehmer grundlegende Fragestellungen beantworten können.
Aufgrund ihrer Komplexität haben
(I)IoT-Lösungen meist einen vergleichsweise hohen Erklärungsbedarf. Gerade bei fehlenden Erfahrungen sollte ein geeignetes Szenario mit überschaubarer Komplexität dem Kunden die Möglichkeit zum einfachen Einstieg in die für
ihn relevanten Themen und den Aufbau eigener Erfahrungen und Expertisen geben.
Gerade mit Blick auf die Digitalisierungsstrategie sollte auch hinterfragt werden, ob nicht eventuell der
zweite oder dritte Schritt vor dem ersten erfolgt. Denn was nützen die besten Echtzeit- oder Predictive
Maintenance-Lösungen, wenn Informationen zum großen Teil noch auf Papier oder in unzählige Exceltabellen verwaltet werden.
So vielfältig die Nutzungsszenarien im Zeitalter von Industrie 4.0 sind,
so vielfältig sind auch die Lösungsmöglichkeiten und ihre jeweiligen
Stärken und Schwächen. Die Anforderungen und Ziele beispielsweise
an After Sales Services, Condition Monitoring, Predictive Maintenance
oder X-as-a-Service-Lösungen könnten unterschiedlicher kaum
sein. Erfolgsentscheidende Faktoren wie Verfügbarkeit, Datenaufkommen und Qualität, Funktionen, Flexibilität oder Betriebskosten müssen je nach Anwendungsfall entsprechend gewichtet
und priorisiert werden. So lassen sich teure Over-Engineered-Lösungen, die die gesteckten wirtschaftlichen Ziele nicht erfüllen können, ebenso vermeiden wie Low Cost-Lösungen, die die technischen Anforderungen beispielsweise an
Skalierbarkeit oder Flexibilität nicht erfüllen. Ein unterschätzter Punkt
sind häufig einfach umzusetzende Zusatzfunktionen im Rahmen der zu
realisierenden Lösung. Diese bieten potenziell die Möglichkeit, zusätzliche Bedürfnisse zu wecken, günstig Mehrwerte zu generieren oder
andere Lösungen obsolet werden zu lassen.
Über Gedeih und Verderb einer Lösung können neben den Kosten für Umsetzung und Integration vor allem Folgekosten für Betrieb und Support entscheiden. Je nach Anwendungsfall, verwendeten Technologien, Plattformen und Infrastruktur, kann der Return-on-Invest dadurch in weite Ferne rücken. Schnell hängt die Wirtschaftlichkeit einer Lösung oder eines ganzen Produktes von Transferkosten für Daten, Gebühren für Plattformen, Lizenzen für Dienste, Schnittstellen und Software sowie Supportkosten ab. Vor allem mit Blick auf Kosten für Plattformen, Support und Services können sich vermeintlich günstige Einstiegsangebote oder All-in-One Lösungen mit steigender Datenmenge oder Nutzerzahl zu erheblichen Kostentreibern entwickeln. Eine transparente, überschaubare
und planbare Kostenstruktur ist unverzichtbar.
Um Projekte langfristig denken und erfolgreiche Strategien entwickeln zu können und nicht zuletzt mögliche Risiken zu minimieren, ist es notwendig alle bereits verfügbaren und alle zusätzlich erforderlichen Ressourcen im Blick zu behalten. Neben allerlei technischen Ressourcen wie Sensoren, Infrastruktur, Gateways, Schnittstellen und so weiter, gilt es auch die menschlichen Ressourcen mit in die Planung einzubeziehen. Die Umsetzung von Projekten im Bereich Industrie 4.0 ist eine interdisziplinäre Herausforderung die
gerade bei branchenspezifischen Lösungen häufig Spezialisten, so wie Wissen und Erfahrungen erfordern,
die sich nicht so leicht outsourcen oder zu- oder nachkaufen lassen. Wenn aufgrund von mangelhaftem
Wissensmanagement plötzlich erforderliches Experten- oder Detailwissen nicht mehr verfügbar ist oder für den Betrieb und Support langfristig eine Heerschar an IT-Experten benötigt wird, geraten selbst solide Projekte in Schieflage.
Autor: André Sachs, Entwickler
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